Burger King: Ein Schritt zurück, zwei nach vorne.

Nostalgie an sich ist kein Motor für Veränderung, aber sie ist eine Brücke zur Empathie in einer Welt, die nach Vertrauen und Trost sucht.

Phil Garnham, Senior Creative Type Director bei Monotype Studio, wirft einen Blick auf die Rolle der Schrift im digitalen Branding und huldigt das visuelle Erbe der Marke Burger King.

Erstveröffentlichung auf BITE

In den letzten Jahren konnte man als Designer den Eindruck gewinnen, dass „digital“ für sich genommen ein visueller Trend sei, basierend auf einer geometrischen Schrift mit Vaporwave-Verlauf, einem interaktiven Logo, gesprenkelt mit violetten Grundformen und in das rosa Licht der untergehenden Sonne getaucht. OK, das ist eine ziemlich pauschale, eindimensionale Interpretation. Doch dieser Blickwinkel auf das digitale Marketing existiert und hat im Markendesign eine Art Gleichschaltung hinterlassen. Viele Marken geben selbst zu, dass sie auf einer Bühne der Ähnlichkeit gelandet sind: Sie operieren im gleichen Raum und mit dem gleichen visuellen Stil und Fußabdruck wie ihre direkten Wettbewerber.

Doch die Verbraucher verlangen „Besseres“, und dieses „Bessere“ kann nur das Ergebnis eines gewissenhaften strategischen Denkens sein, das die Extrameile geht, um Authentizität, Identität und eine grafische Einzigartigkeit zu schaffen. Die forcierte digitale Transformation von 2020 hat ein kundenzentriertes Umdenken in die Entwicklung visueller Identitäten gebracht. Wie sehen Marken im Neuen Normal aus und wie fühlen sie sich an? Kann eine visuelle Identität glaubhaft die Sorge um unsere Welt, die Umwelt, uns und unsere Zukunft transportieren?

Eines ist gewiss: Unsere digitalen Erlebnisse werden weiterhin vom Lesen dominiert. Alles auf einem elektronischen Gerät ist Lesen, und … Überraschung: Marken beginnen endlich, sich mit der Natur dieses Leseerlebnisses und der digitalen Typografie dahinter auseinanderzusetzen. Die Worte, die wir lesen, werden von Schriften getragen und diese Schriften sind die Stimme der Marke. Als Schriftentwerfer, der viel für Marken arbeitet, werden mir zunehmend solche Fragen gestellt: „Wie können wir unsere eigene typografische Tonalität finden?“, „Repräsentiert diese Stimme, wer wir wirklich sind?“, „Wie bringen wir unsere Markenwerte menschlich, zugänglich und emphatisch in die Schrift?“

Blick in die Vergangenheit.

Jede Schrift hat ein Persönlichkeitsprofil und ich denke, dass ein digitales Branding die Tiefe und Vielfalt diese Art von Persönlichkeit berücksichtigen muss. Das Erbe einer Marke zu achten und darauf zu bauen ist nicht wirklich eine neue Idee. Doch es gibt ein neues Bewusstsein dafür, dass Marken sich auf ihre Vergangenheit besinnen müssen, um eine tiefere, bedeutungsvolle Beziehung zu den Verbrauchern aufzubauen. Nie zuvor hat sich der Markt mehr danach gesehnt, sich in die Weltlage einzufühlen und Gutes zu tun. Diese Sehnsucht in Kombination mit einem „Blick zurück, um vorwärts zu kommen“-Ansatz hat eine typografische Nostalgie ausgelöst, bei der Vintage-Lettern und -Schriftzüge als Mittel zur Wiederherstellung der Verbindung eingesetzt werden. Es ist ein Trend, der seit den Rebrands von Chobani (InHouse), MailChimp (Collins), Meridian (BulletProof), Dunkin’ und vielen weiteren Markenklassikern langsam an Fahrt aufnimmt. Und dieser Ansatz findet nach wie vor großen Anklang.

Das zu Recht schlagzeilenträchtige Rebranding von Burger King durch JonesKnowlesRitchie (JKR) verfolgt ebenfalls den aufkommenden Schrift- und Grafik-Trend, der eine softe Service-Wärme zelebriert. Ein Griff zurück in die Vergangenheit und diese neu interpretieren: das Markenerbe wird neu ausgerichtet, feingliedrige Holzschrift-Klassiker werden zu knackig scharfen Pixeltypen. Hier eine Anspielung auf die Vintage-Ära mit verspielten Schwungbuchstaben und tropfenförmige Serifen, dort schrullige Lettern und lebhafte Farbschemata. Die Hommage an die warme und weiche Körperlichkeit alter Buchstabenformen ist durchaus angenehm.

Die neue Identität von Burger King vermittelt Wärme auf eine Art und Weise, die Sympathie auslöst, wobei der typografische Optimismus auf die warme, schwungvolle Burger- Ikonografie setzt. Ein solches Verständnis für Spaß und Freude vermittelt Zuversicht in einer Zeit, in der wir sie am meisten brauchen. Und nicht zuletzt hat das Rebranding die Typografie der Marke bildschirmtauglich gemacht und auf ein neues Level gehoben. Die Exklusivschriften Flame Serif und Flame Sans der Colophon Foundry entstammen direkt aus den Marketingarchiven von Burger King. Sie fühlen sich an wie 100 % Vintage, erinnern an die klassische Soft-Service- Typografie des New Yorker Burger-Ladens, bewältigen aber modernste digitale Kommunikationsaufgaben.

 

Nostalgie als Anker für Empathie.

Nostalgie an sich ist kein Motor für Veränderungen, aber sie ist eine Brücke zur Empathie in einer Welt, die in schwierigen Zeiten nach Vertrauen und Trost sucht. Designer sind fasziniert von ikonischen Objekten, nicht nur von Markenzeichen, sondern von Werbeschildern, Büchern, Verpackungen und jeder Art grafischer Fundstücke. Wir lieben dieses Zeug einfach. Jeder sammelt irgendwas. Markenlenker verstehen das nur zu gut.

Das reduzierte Logo von Burger King aus dem Jahr 1969 war ideal für eine Neuinterpretation, was Newlyn perfekt umgesetzt hat. Es wurde ein flaches, schnörkelloses Markenzeichen, das all die Flächeninszenierungen nutzen kann, die unsere Mobilgeräte heute darbieten. Es fühlt sich an wie eine Marke, die nach vorne schaut und über Nachhaltigkeit und „Öko-Branding“ nachdenkt, ein weiterer Trend, der sich anbahnt. Das alles ist es wert.

Typischerweise erfinden sich Marken neu oder entwickeln sich weiter. JKR ist zurückgesprungen und hat das Logo aus der Mitte seine Lebenszeit heraus überarbeitet: Man sprang einfach drei, vier Jahrzehnte zurück, setzt einen Radiergummi an und drückt auf ‚Refresh‘. Die Ladenkette Co- op und Studio North haben mit ihrer Überarbeitung des Co-op- Logos von 1968 eine ähnliche Strategie verfolgt, ebenso wie die NASA mit „Der Wurm ist zurück“ im Jahr 2020. Aber eigentlich ist Nostalgie im Markenzeichen nicht wirklich Nostalgie, denn diese Logos haben eine inhärente Zeitlosigkeit an sich. Moden kommen und gehen, aber solche Marken-Meilensteine fühlen sich heute so aktuell an wie damals.

Der Blick zurück ist ein Schritt zur grafischen Klarheit mit dem Ziel einer Reduktion, die auf die Hauptbestandteile der Marke setzt, Service und Produkt.

Phil Garnham

Schrift ist Kultur.

Dies alles heißt nicht, dass wir rückwärts gehen. Es bedeutet, dass Marken zum Kern dessen vordringen, was sie sind, und sich auf mutige und ikonische Verkörperungen ihrer selbst verlassen, um ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen zu vermitteln. Der Bezug auf das Erbe ist ein Mittel gegen die Post-Wahrheit in dieser Welt. Marken entwickeln sich im Kern weiter, so wie sich die Kommunikation weiterentwickelt. Burger King besinnt sich auf sein Erbe, baut auf seine unverwechselbare visuellen Identität und modernisiert sich im Zusammenspiel mit der Technologie.

Schrift ist ein Kulturgut, und was sich für eine Region wie eine gute Idee anfühlt, lässt sich nicht immer übersetzen und in einen anderen Markt transferieren. In der Vergangenheit wurde Marken häufig vorgeworfen, die Typografie Asiens zu latinisieren. So war ich natürlich neugierig, wie unser Kreativteam in China auf das neue Burger-King-Logo reagiert. Es scheint, dass der Hamburger allein eine eigene, universelle Sprache darstellt. „Die Form des Brötchens, der Zwiebel, der Tomate und des saftigen Rindfleischs sind in der globalen Identität von Burger-King enthalten. Lecker.“ sagte Robin Hui vom Monotype Studio, China.

Marken beginnen umzudenken. Sie lösen sich von falschen Vorstellungen über digitale Ästhetik. Digital ist einfach nur da, und es kann machen, was immer wir im Sinn haben. Der typografische Auftritt von Lebensmitteln, die von Menschen serviert werden, sollte menschlich aussehen. Ein Blick zurück ist nicht notwendigerweise nostalgisch. Der Blick zurück ist ein Schritt zur grafischen Klarheit mit dem Ziel einer Reduktion, die auf die Hauptbestandteile der Marke setzt, Service und Produkt. Burger King ist eine junge Pflanze in einer Landschaft der Nachahmung, und eine  Bestätigung dafür, dass eine authentische Typografie heute genauso wichtig ist wie damals.

Phil Garnham ist Senior Creative Type Director bei Monotype und ein Schriftentwerfer mit langjähriger Erfahrung in der Gestaltung und Entwicklung von Schriften für globale Marken. Durch die Zusammenarbeit mit Designstudios und internationalen Auftraggebern hat Phil ein Gespür für die kreativen Anforderungen von Marken, die mit Schrift Kontinuität schaffen.

Nachspann
Brand Identity: Jones Knowles Ritchie
Logo Redesign: Miles Newlyn
Exklusivschrift: Colophon

Burger King: Ein Schritt zurück, zwei nach vorne.
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