Woran man eine lesbare Schrift erkennt.

Wie bei vielen Designfragen ist die Antwort auf diese Frage eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft und wird weniger durch Regeln als durch empfohlene Praktiken bestimmt. Der Schlüssel liegt im Verständnis der Funktionen einer Schrift, die die Lesbarkeit beeinflussen.

Die Lesbarkeit ist ein entscheidender Faktor bei der Auswahl einer Schrift für Ihr Projekt. Hier erfahren Sie, wie Sie eine lesbare Schrift finden, die für Ihre Leser und Kunden leicht zu erkennen ist.

Hier bei Monotype erreichen uns die unterschiedlichsten Fragen. Aber eine der häufigsten, die immer wieder gestellt wird, ist eine Variation von: Was macht eine lesbare Schrift aus? Man fragt auch: Welche Schrift ist am besten lesbar? Oder: Woran erkenne ich, ob eine Schrift gut lesbar ist? Oder: Was macht eine Schrift lesbar und wie finde ich sie?

Wie bei vielen Designfragen ist die Antwort auf diese Frage eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft und wird weniger durch Regeln als durch empfohlene Praktiken bestimmt. Der Schlüssel liegt im Verständnis der Funktionen einer Schrift, die die Lesbarkeit beeinflussen. Und dann die Schrift mittels dieser Eigenschaften zu finden, die am besten zu der visuellen Sprache passt, in der Sie kommunizieren. 

Lesbarkeit ist ein komplexes Thema mit viel mehr Nuancen, als wir in einem einzigen Artikel behandeln können. Wenn Sie jedoch einige wichtige Punkte verstehen, werden Sie sicher in der Lage sein, eine gut lesbare Schrift für Ihr nächstes Projekt auszuwählen. Fangen wir an

Easy to Read

Die Lesbarkeit liegt im Kopf des Lesers. 

Wenn wir lesen, nehmen unsere Augen die auf einer Seite geschriebenen Formen auf, übersetzen sie in Buchstaben, fügen die Buchstaben zu Wörtern zusammen und verbinden diese Wörter mit ihrer Bedeutung. All dies geschieht so schnell, dass wir es kaum wahrnehmen.  

Doch wenn einer dieser Schritte langsamer wird oder auf ein Hindernis stößt, verlangsamt sich unser Lesefluss. Das mag in manchen Fällen unbedeutend sein – zum Beispiel bei einer absichtlich vernebelten Schlagzeile in einer Zeitschrift –, ist aber essenziell bei digitalen Anwendungen, beim schnellen Durchblättern oder in längeren Leseumgebungen, wenn Leserinnen und Leser in eine Geschichte eintauchen möchten. 

Gut lesbare Schriften sind für den Leser im Wesentlichen „nicht störend“. Sie sind für das Auge leicht zu erfassen und für das Gehirn schnell zu dechiffrieren, sodass der Leser durch die Seiten eines Buches „fliegt“ oder den Text auf der Anzeige im Auto in einer Zehntelsekunde erfassen kann. Sie funktionieren so natürlich und mühelos sein wie das Atmen.

Was macht eine Schrift lesbar? 

Ok, die brennende Frage lautet: Was macht eine Schrift „leicht lesbar“ für Augen und Gehirn? Sind nicht alle Schriften nur … Buchstaben? Warum sollen Buchstaben in der einen Form leichter zu lesen sein als in der anderen Form?

Bei der Suche nach lesbaren Schriften ist es hilfreich, über die Form von Buchstaben und Wörtern nachzudenken (Überflüssiges Wissen: Der Fachbegriff für die Form eines Wortes ist „Bouma“ und geht auf Hypothesen des bekannten Sehforschers Herman Bouma zurück, der die Formen und die Verwechselbarkeit von Buchstaben und Buchstabenketten untersucht hat). Ihre Augen und Ihr Gehirn verfolgen beim Lesen nicht jede Kurve und jeden Winkel eines klein geschriebenen a, bis sie erkennen, dass es sich um den Kleinbuchstaben a handelt. Vielleicht war das so, als Sie gerade lesen lernten. Gleichwohl sind die meisten von uns in der Lage, ein a anhand seiner Form und seiner Beziehung zu den umgebenden Buchstaben ohne Nachdenken als den Buchstaben a zu erkennen. 

Allerdings sehen Buchstaben, je nach Schriftdesign, immer wieder anders aus. Der Großbuchstabe O in einer geometrischen Sans, wie ITC Avant Garde, ist ein fast perfekter Kreis. Ein kleines, geschlossenes (einstöckiges) a könnte – gerade bei einer geometrischen Sans – ziemlich leicht mit dem kleinen o verwechselt werden. Können Sie eine geometrische Schrift wie Avant Garde oder Futura leicht lesen? Ja, natürlich. Aber es könnte auch leichter sein. 

Hier kommen die humanistischen Schriften ins Spiel. Die humanistische Sans ist in der kalligrafischen Tradition verwurzelt und trägt daher Parallelitäten zur menschlichen Handschrift in ihrer DNA, daher der Name. Ein populäres Beispiel für eine humanistische Schrift ist Proxima Nova von Mark Simonson. Schauen Sie sich das o genauer an, und Sie werden sehen, dass es sich um ein differenziertes Oval handelt, nicht um einen Kreis. Schauen Sie sich den Kleinbuchstaben a (im Antiqua-Stil) an und Sie werden feststellen, dass die Strichstärke des Bogens an den Stellen schlanker wird, wo er auf den senkrechten Stamm trifft. Solche Details verleihen den Buchstaben sowohl Charakter, als auch Unterscheidbarkeit und erleichtern somit Auge und Gehirn das Lesen. Andere beliebte humanistische Schriften (und humanistische/geometrische Mischformen) sind Frutiger, Morandi, Gotham und Optima.

Serifenschriften bieten den Leserinnen und Lesern eine mit der humanistischen Sans vergleichbare Lesbarkeit. So ist es nicht verwunderlich, dass sie die vorherrschende Wahl für die Lesetexte von Büchern, Zeitschriften und andere textlastigen Dokumenten sind. Allerdings stellt die Serif wegen ihres Strichkontrasts, also dem Unterschied zwischen dicken und dünnen Linien (siehe unten) seit jeher eine Herausforderung dar bei digitalen Anwendungsfällen. Serifenschriften mit hohem Strichkontrast und extrem dünnen Linien sind für die Verwendung in Headline-Satz gedacht, während Serifs, die als Laufschrift entworfen wurden, mit weniger Strichkontrast aufwarten. Dieser Effekt und die Differenziertheit der Serif-Glyphen geraten oft in Konflikt mit der Auflösung der Bildschirme, was die Gestaltung von Serifenschriften für die digitale Nutzung erschwert, weil sie durch das sogenannte „Hinting“ für jede einzelne Lesegröße manuell bearbeitet werden müssen. Daher wurden humanistische Schriften die bevorzugte Wahl für digitale Anwendungen und sind es auch heute noch, obwohl die modernen mobilen Bildschirme inzwischen auch Serifenschriften makellos klar darstellen können. 

Ein anschauliches Beispiel für das Gegenteil der Lesbarkeitsqualität der humanistischen Sans und der Serif ist die Schrift Eurostile. An Eurostile als Schrift gibt es – künstlerisch betrachtet – nichts auszusetzen. Sie ist in der Tat unglaublich beliebt in Science-Fiction-Filmen, in den 1970er-Jahren wegen ihrer futuristischen Ausstrahlung, heute wegen ihres retro-futuristischen Charisma. Als die Automobilhersteller begannen, Touchscreens und Infotainmentsysteme in ihre Fahrzeuge einzubauen, wählten viele von ihnen Eurostile für das User-Interface dieser Geräte. Leider basieren alle Eurostile-Buchstaben auf einer quadratischen Grundform, sodass sie schwer voneinander zu unterscheiden sind, vor allem, wenn man nur einen Sekundenbruchteil Zeit hat, sie zu lesen – zum Beispiel beim Autofahren. 

Merkmale einer lesbaren Schrift. 

Der Prozess, eine gut lesbare Schrift für ein Projekt zu finden, gleicht einem Goldlöckchen-Szenario: Es geht um den Mittelweg zwischen Emotion und Technik, zwischen Individualität und Gleichartigkeit, zwischen unverwechselbarer und lesbarer Typografie. Für Designerinnen und Designer besteht die Aufgabe darin, die wesentlichen Kriterien zu verstehen, die zur guten Lesbarkeit führen, und danach eine Schrift zu finden, die diese Faktoren mit der von ihnen gewünschten visuellen Sprache in Einklang bringt. 

Kontrast:

Der Kontrast beschreibt den Unterschied zwischen dicken und dünnen Strichen in einem Buchstaben. Schriften mit einem leichten Kontrast sind in der Regel besser zu lesen, da die Variation der Strichstärke dem Auge hilft, besser zwischen Buchstaben mit ähnlicher Form zu unterscheiden.  


Dagegen erweisen sich Schriften mit starkem Kontrast beim Textsatz als schwer lesbar. Eine Schrift wie Bodoni mit ihrer starken Dick-Dünn-Dynamik eignet sich wunderbar für eine atemberaubende Schlagzeile in einer Modezeitschrift. Doch im Fließtext, also zwischen 8 und 12 Punkt, brechen die feinen, dünnen Striche weg, sodass es fast unmöglich ist, Bodoni flüssig zu lesen.

 

Contrast

X-Höhe:

Die Mittellänge oder x-Höhe bezieht sich wortwörtlich auf die Höhe des Kleinbuchstabens x einer Schrift und definiert im Wesentlichen die optische Größe einer Schrift, weil Lesetexte zu 99% aus Kleinbuchstaben bestehen. Eine große x-Höhe sorgt in der Regel für eine bessere Lesbarkeit, da sie ein größeres Schriftbild gewährleistet. 

Eine zu große x-Höhe erschwert dagegen die Unterscheidung zwischen Groß- und Kleinbuchstaben und kann sogar den Unterschied zwischen bestimmten Kleinbuchstaben nivellieren, zum Beispiel zwischen h und n. Je nach Design und Gewicht der Schrift können auch kleine x-Höhen für gute Lesbarkeit sorgen.

Abstände, Unterschneidung und Laufweite:

Der Abstand und der Raum zwischen den Buchstaben ist für die Lesbarkeit ebenso wichtig wie die Buchstaben selbst. Ein falsch unterschnittenes r vor einem n kann leicht wie ein m aussehen. Ein insgesamt zu enger Text kann das Lesen verlangsamen, desgleichen so ein zu locker gesetzter Text.  

Bei den meisten kommerziellen Schriften sind die Abstände und das Kerning (Unterschneidung) gut durchdacht und erfordern nur minimale zusätzliche Anpassungen. Andere Fonts erfordern aufmerksame Anpassungen im Layout-Programm oder im Text-Editor. Eine gut lesbare Schrift sollte sich anfühlen, als würde sie atmen und leicht fließen. Wörter und Sätze sollen die Leserinnen und Leser führen, ohne dass sie zweimal hinsehen müssen. 

Suchen Sie bei Ihrer Entdeckungsreise nach Schriften, deren Buchstaben sich wie eine Perlenkette aneinanderreihen – nicht zu eng, nicht zu weit –, und testen Sie mit Probewörtern (Tor, VASE) das Kerning von problematischen Buchstabenkombinationen. Auf diese Weise können Sie feststellen, wie vollendet eine Schrift spationiert ist und ob Sie später mit manuellen Korrekturen rechnen müssen. 

Optische Größenanpassung:

 

Der Begriff optische Größenanpassung bezeichnet das Entwerfen verschiedener Varianten einer Schrift unter Berücksichtigung der Größe, in der sie später wiedergegeben werden. Diese Optimierungen können vieles von dem umfassen, was oben besprochen wurde – Spationierung, die Mittellänge, der Strichkontrast oder Buchstabendetails. Die Headline-Version einer Schrift ist für große Verwendungszwecke optimiert, wie Überschriften, Plakate oder Großflächenwerbung; sie bringen in der Regel mehr Details und Feinheiten einer Schrift zur Geltung, wobei die Abstände der Buchstaben meist verringert sind. Im Gegensatz dazu sind die Buchstabendetails in Schriften für Mikrotexte zwischen 3 und 7 Punkt vereinfacht oder teils übertrieben, um beim Lesen diesen kleinen Größen maximale Klarheit zu erreichen und eine saubere Darstellung auf dem Bildschirm zu gewährleisten. 

Nicht alle Schriften bieten optische Größen an. Aber es lohnt sich, sie zu suchen, wenn Sie ein und dieselbe Schriftfamilie in einer Reihe unterschiedlicher Anwendungen und Größen einsetzen möchten.  

Helvetica Now optical sizes

The optical sizes in Helvetia Now enable it to unction flawlessly in a range of applications, from large, eye-catching display text to hyper-legible micro type.

Im Zweifel? Ausprobieren!

Sobald Sie die Lesbarkeitskriterien überprüft und einige potenzielle Favoriten ausgewählt haben, ist der nächste Schritt: Testen. Beachten Sie dabei, dass es einen feinen Unterschied zwischen Lesbarkeit und Leserlichkeit gibt. Während es bei der Lesbarkeit um die gestalterischen Eigenschaften einer Schrift geht (also die oben erläuterte Unterscheidbarkeit ihrer Glyphen), geht es bei der Leserlichkeit um die typografische Gestaltung und die Qualität der Wiedergabe. Wenn Sie mit einer gut lesbaren Schrift zu lange Zeilen setzen (mehr als 65 Zeichen), wird ein mehrzeiliger Text unleserlich; oder wenn ihr Tischdrucker im 300-dpi-Entwurfsmodus läuft. Ihre Aufgabe als Typografin oder Typograf ist es, das Schriftdesign (die Schrift selbst) und die Typografie (die Art und Weise, wie sie verwendet wird) zu etwas zu kombinieren, das Lesen so einfach macht wie Atmen. 

Also: Setzen Sie ein paar Zeilen Lesetext und überprüfen Sie am Bildschirm und auf Papier, ob Sie sich beim Lesen wohlfühlen. Gibt es eine gesunde Balance zwischen groß und klein? Weist der Text einen gleichmäßigen Grauwert auf oder ist er fleckig? Ertappen Sie sich dabei, dass Sie Sätze ein zweites Mal starten müssen? Sie können auch einen Freund oder eine Kollegin bitten, den Text probezulesen. 

Das Theme Lesbarkeit ist, wie zuvor erwähnt, eine Mischung aus Kunst und Wissenschaft. Tatsächlich gibt es nicht die eine Schrift für beste Lesbarkeit. Aber mit einigen grundlegenden Kriterien sowie Ihrem kritischen Auge und dem typografischen Blick werden Sie garantiert eine Schrift finden, die Ihren Leserinnen und Lesern einen ausgezeichneten Lesekomfort bietet. Viel Erfolg!

Woran man eine lesbare Schrift erkennt.
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